Menu
Menü
X

Jugendleiter-Ausbildung bei der evangelischen Kirche steht hoch im Kurs

Teilnahmerekord bei Juleica-Schulung

106 Jugendliche aus sieben Dekanaten erwarben beim jüngsten Grundkurs im mittelhessischen Mücke ihre Jugendleitercard.

Ein Lichtblick nach düsteren Zeiten: Die Jugendleiterausbildungen im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau erleben nach den Herausforderungen der Corona-Pandemie einen regelrechten Boom. Junge Menschen zwischen 15 und 20 Jahren stürzen sich mit Begeisterung in die Juleica-Schulungen, um ihre sozialen Kompetenzen zu stärken und Verantwortung in der Gemeinschaft zu übernehmen.

Sie alle haben Freude daran, in ihrer Kirchengemeinde Kinder- und Jugendgruppen zu führen, Freizeiten zu organisieren oder Konfirmandengruppen zu begleiten. „Um sie dabei zu unterstützen, bieten wir schon mehr als 30 Jahre lang entsprechende Lehrgänge an“, sagt Carsten Preuß. Im Grundkurs „Gruppen leiten lernen“ erwerben ehrenamtliche Teamer das pädagogische Handwerkszeug, um ein inhaltlich und methodisch gutes Freizeit- oder Gruppenprogramm zusammenzustellen. „Denn Gruppen leiten will gelernt sein“, weiß der Dekanatsjugendreferent. Das Programm orientiert sich stark an der praktischen Gemeindearbeit vor Ort.

Einwöchiges Blockseminar

In den Herbstferien absolvierten 106 junge Menschen diese einwöchige Ausbildung, die der dreieich-rodgauer Kirchenkreis gemeinsam mit sechs weiteren Dekanaten innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau anbietet – ein neuer Rekord. Immerhin 27 der frisch gebackenen Jugendleiter stammen aus der Region südlich des Mains, allein acht davon kommen aus den südmainischen Hanauer Stadtteilen Steinheim und Klein-Auheim. „Das zeigt, dass die Kirchengemeinden während der schwierigen Corona-Zeit einen guten Draht zu den Heranwachsenden behalten haben und dass diese die in der Konfirmationszeit erlebte Gemeinschaft erhalten möchten“, stellt Preuß' Kollege Stefan Seib-Melk fest. „Aktuelle Konfi-Studien belegen, welch hohen Wert Freundschaft und Gemeinschaft bei dieser Altersgruppe genießen“.

Innerhalb der 40-stündigen, methodisch und inhaltlich sorgfältig ausgearbeiteten Weiterbildung wird intensiv die Fähigkeit trainiert, den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen angemessen zu begegnen. Hierbei geht es um rechtliche wie pädagogische Fragen, Gruppendynamik, verschiedene Rollen und Leitungsstile, aber auch um kreative Angebote. Behandelt werden Entwicklungsprozesse und Lebenssituationen im Kinder- und Jugendalter, aktiver Kinderschutz, religiöse Fragen von Kindern und Jugendlichen, sowie aktuelle lebensweltliche Themen. Regelmäßige inhaltliche Inputs in der großen Runde werden in kleineren Arbeitsgruppen vertieft.

Neue Lieder und Glaubensinhalte

Die Teilnehmenden profitieren dabei nicht nur von der jahrzehntelangen Erfahrung der Organisatoren der kooperierenden Dekanate Dreieich-Rodgau, an der Lahn, Gießener Land, Hochtaunus, Nassauer Land, Westerwald und Wetterau. „Sie schauen über den Tellerrand, sehen, wie es woanders läuft, lernen neue Lieder und Glaubensinhalte kennen und erleben, dass es neben ihnen noch viele mehr gibt, die sich ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde engagieren“, erläutert Dekanatsjugendreferent Seib-Melk. „Viele der Jugendlichen teilen gemeinsame Interessen und knüpfen dort Kontakte, die bestehen bleiben“, so seine Erfahrung. „Es ist toll zu sehen, wie durch die evangelische Jugendarbeit langjährige Freundschaften entstehen.“

„Die Schulung ist viel mehr als die Weitergabe von Wissen“, betont Seib-Melk. „Hier werden vertiefende Gespräche geführt und Werte vermittelt“. Er ergänzt, dass bei Veranstaltungen wie dem Jugendgottesdienst mit über 100 Mitwirkenden Glaube und Spiritualität ganz anders erlebt werden und die Teilnehmenden erfahren, „dass die Kirche nicht verstaubt und eingerostet sein muss“. Viele der jungen Menschen gingen nach der intensiven Woche, die sie gemeinsam mit Gleichgesinnten verbrachten, verändert und gestärkt in ihre Gemeinden zurück.

Etliche „Wiederholungstäter“

Sowohl Stimmung als auch Lernstoff treffen den Nerv der Zielgruppe. „Das Programm war vielseitig und interessant“, lobt Henning, dem die Schulung viel Spaß gemacht hat: „Die Kurse ‚Nonverbale Kommunikation‘ und ‚Antirassismustraining‘ kann ich sehr empfehlen, ich hatte auch schon die Gelegenheit, sie im Alltag anzuwenden“. Der 15-jährige Langener fand es „sehr gut, viele andere Jugendliche kennenzulernen, gemeinsam Zeit zu verbringen und etwas zu erarbeiten. Die Gemeinschaft ist schnell zusammengewachsen.“

Nicht wenige Teilnehmende wollen gleich mehrfach mit von der Partie sein. So auch Amelie aus Langen. „Ich fand die Juleica-Woche cool!“, ist die 15-Jährige begeistert. „Ich habe viele nette Leute kennen gelernt, wir hatten großen Spaß und es gab interessante Workshops. Nächstes Jahr bin ich wieder mit dabei.“

Modulare Schulung übers Jahr verteilt

Neben dem Blockseminar hat auch eine modulare Ausbildung großen Zulauf, die seit diesem Jahr im Dekanat Dreieich-Rodgau angeboten wird. 40 angehende Jugendleiter nutzen derzeit diese Möglichkeit, sich übers Jahr verteilt an insgesamt sieben Samstagen die erforderlichen Kenntnisse anzueignen. Im kommenden März werden sie den Ausweis in den Händen halten. Mehr als die Hälfte von ihnen kommt aus Egelsbach. „Die Arbeit mit Heranwachsenden ist nach wie vor einer der wichtigsten und intensivsten Bereiche in den Gemeinden, so auch bei uns“, betont Martin Diehl. „Hierfür sind qualifizierte Kräfte unerlässlich“, ist der Egelsbacher Pfarrer überzeugt. Daher freut es ihn, dass sich so viele junge Menschen auf diesem Gebiet weiterbilden. Denn der Bedarf ist da: Allein bei der Kinderbibelwoche in der Tränkbachgemeinde, die mit rund 3.200 Mitgliedern zu den größten Dekanatsgemeinden zählt, sind immer 150 kleine Teilnehmende am Start – betreut von rund 50 Jugendlichen, die im Umgang mit dieser Zielgruppe überaus versiert sind – unter der fachkundigen Anleitung von Gemeindepädagogin Sarah Kraft. 

Gruppen leiten lernen – wer hat’s erfunden…?

Derzeit haben etwa 100.000 junge Menschen in Deutschland eine Jugendleitercard. Die so genannte „Juleica“ wurde 1999 als bundesweit einheitlicher Ausweis für freiwillig Engagierte in der Jugendarbeit eingeführt. Sie ist maximal drei Jahre gültig und dient zur Legitimation, als Qualifikationsnachweis und soll die gesellschaftliche Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement zum Ausdruck bringen. Viele freie und öffentliche Träger der Jugendhilfe bieten die Ausbildung an – seien es Sportvereine, Sozialverbände, Hilfsorganisationen, kommunale oder kirchliche Einrichtungen. So ist der einwöchige Grundkurs „Gruppen leiten lernen“, in dem 15- bis 20-Jährige das pädagogische Handwerkszeug erwerben, um ein inhaltlich und methodisch gutes Freizeit- oder Gruppenprogramm zusammenzustellen, ein landesweites Highlight der evangelischen Jugendarbeit in Hessen. Seine  Ursprünge reichen bis zu einem Schulungskonzept zurück, das der frühere Dreieicher Dekanatsjugendreferent Karlheinz „Charly“ Grosch in den 1980er Jahren gemeinsam mit den Jugendreferenten anderer Dekanate der hessen-nassauischen Landeskirche entwickelte. An diesem Leitfaden orientierte sich der hessische Jugendring bei der Festlegung der Standards für die Juleica.


top